Prägedrucke 2014/ Baum- und Straßenrissprägungen


"...Wir haben hier im wörtlichen Sinne „Papierarbeiten“ vor uns, Papierarbeiten, die den gängigen kunsthistorisch geprägten Begriff neu und ungewohnt füllen und ihn weit weg von der traditionellen Terminologie der Druck- und Zeichenkunst entführen. Als kleine Form definiert, häufig filigran-zart, differenziert im Hell-Dunkel, mehr für die individuelle Betrachtung, für das nahe Herantreten, die persönliche, privat-intime Auseinandersetzung mit dem Dargestellten, dem Werk gedacht: all diese Charakteristika, die gängigerweise den „Papierarbeiten“ zugeschrieben werden, sind auch den hier installierten Objekten von Helmut Heinze eigen, so dass mir dieser Begriff hier durchaus angemessen erscheint.

Das Papier, das in der Zeichnung zumeist nur als Oberfläche wahrgenommen wird, wird bei dem Umgang mit und der Aufnahme von den Rindeneigenschaften durch den Künstler in deren Substanz ein- und durch-prägt und überformt: transformiert. Was im Alltag trivial als Rindenhülle bezeichnet wird, die sich in der wirtschaftlichen Verwertung der Bäume bestenfalls als „Abfall“ im Rindenmulch der Gärten und Grünanlagen wiederfindet, wird vom Künstler als im wörtlichen Sinne „essentieller“ Bestandteil des Baum-Daseins herausgestellt: ihre Rinde, ihre Ober-Fläche, ihre Außenhaut. Diese Rindenoberfläche ist Epidermis, jene universale Schicht, die das Innen und Außen trennt und als nicht minder bedeutende Eigenschaft von der Durchlässigkeit zwischen dem Innen und Außen bestimmt ist: als Vermittler zwischen den Medien.

Diese Epidermisqualitäten finden sich nicht nur bei den Bäumen und in der organischen Natur. Helmut Heinze entdeckt sie auch an anderen Orten: an Wänden, auf Steinplatten, im Asphalt. So zeigen die hängenden Bahnen – ebenfalls in Kupferdruckpapier - die Narben, Risse und Schrunden des aufbrechenden Asphalts unter den Witterungseinflüssen, den Bewegungen des Erdreichs und seiner Vegetation, die in der Poesie der Vitalität, Veränderung und Umwandlung vom rigorosen Verschluss der Straßendecke und dem konsequent-ausdauerndem Gegendruck der Natur aufbrechen..."


Aus dem im Februar erscheinenden Katalog "transformare"

Text: Dr. Hildegard Erlemann/ Kunst- und Kulturhistorikerin